(English translation below)
(Photos courtesy of @qingbabyjey, @sl.vno and @_adydelvalle)
Weil die gängigen Schönheitsideale unserem Autor auf die Stimmung schlugen, verbannte er sämtlichen Speedo-Content von seinen Social Media und folgte nur noch männlichen Übergrössen-Models – ein Desaster.
"Dein Gesicht ist hübsch, aber schade machst du nichts aus deinem Körper" oder "Ich ginge mit dir ins Bett, wenn du fürs nächste Jahr täglich eine Stunde ins Gym gehen würdest." Das sind zwei von unzähligen beleidigenden Nachrichten, die ich über die Jahre von Schwulen aus einschlägigen Apps erhielt. Fazit: Wir sind ein grausames kleines Völkchen.
Mein Körper sieht ganz und gar nicht so aus wie jener von fleissigen Muskelbude-Schwulen aber er ist passabel, hat einige Kilos zu viel, tut aber seinen Job. Dennoch rufen solche Nachrichten Selbstzweifel hervor. Man will ja reinpassen - irgendwie. Eine Weile lang besuchte ich daher regelmässig Fitnesszentren, doch sorgte die kompetitiv-testosteronhaltige Stimmung eher für Betrübtheit. Ich will fortan nicht nur an meinen Muskeln, sondern an meiner Wahrnehmung arbeiten, dachte ich irgendwann. Werbungen, Serien und Soziale Medien pumpen unsere Köpfe mit makellosen Männerkörpern voll. Wir sehen jedoch nicht, dass einige Muskel-Models Anabolika missbrauchen, ihre Bilder mit Photoshop verfälschen und ihre Ernährung auf Hähnchen und Reis reduzieren. Dinge, die einen perfekten Körper ermöglichen, die ich aber nicht will. Sehe ich mehr Unvollkommenheit, gewöhnen sich meine Augen daran. Fettpolster und Dellen werden normal, es folgt mehr Selbstakzeptanz und schliesslich das Nirvana. Ernsthaft: Vielleicht stellt sich heraus, dass mein Sinn für Ästhetik ebenso formbar ist wie mein Bizeps.
Ich dachte, das sei recht simpel. Sämtlicher Content von Speedo-Schwulen verbannte ich von meinem Instagram-Feed und machte mich auf die Suche nach einer anderen Schönheit. Ich wollte Bilder sehen von Männern, die keinem der beiden Körperideale entsprechen - also weder ein muskelbepackter Adonis, noch ein dürr-definierter Twink sind. Ich will etwas mit Kurven, etwas Selbstverständliches. Ich will Männer sehen, die sich in ihren Körpern wohl fühlen, sich aber nicht über deren Fettgehalt oder Muskelausprägung definieren.
Über Suchmaschinen stiess ich auf einige männliche Übergrössen-Models, die stattliche Körper und Followerzahlen aufwiesen. Sie alle arbeiteten regelmässig für vorwiegend deutsche Modekataloge und waren vom Kleidungsstil her eher mittelmässig inspirierend. Aber sie setzten sich und ihre Bäuche auf den ersten Blick schnittig in Szene. Also mal schauen.
Nach einigen Wochen entfolgte ich allen. Jedem. Einzelnen. Recht schnell fiel mir auf, dass keiner von ihnen inspirieren wollte. Sie waren nicht auf Instagram, um das dominierende Körperdiktat zu bekämpfen, sondern … ja, warum eigentlich? Einer war ständig auf der Jagd. Nicht nach Frauen, sondern nach Tieren. Nicht das nachvollziehbare, manchmal notwendige Jagen, das es für ein Gleichgewicht im Ökosystem Wald braucht, sondern jenes, wo man anschliessend für mehrere Fotos mit dem Tierkadaver posiert.
Ein anderer mochte Boote und brachte seine Wochenenden auf einem mittelgrossen Motorschiff auf irgendeinem österreichischen See zu. Recht sympathisch könnte man meinen. Nein. Alles, was er tat, war in hässlichen Loafers sockenlos Stege hinauf- und hinunterzustolzieren. Pause machte er nur, um fette Zigarren zu rauchen. Er wollte prahlen.
Ein Dritter benutzte in seinen Insta-Storys einen herabsetzenden Begriff für Frauen, ein Vierter fand den Sozialstaat völlig überbewertet. Die massigen Männermodels bewirkten nicht, dass ich nonkonforme Körpertypen schön zu finden begann, sondern erhöhten mein Misstrauen gegenüber heterosexuellen, weissen Cis-Männern.
Wie so oft rettete unsere Queer-Community den Tag. Denn erst als ich mich hier nach Vorbildern umsah, wurde ich fündig. Mein Herz hüpfte, als ich die Strandbilder von unserem wunderbaren Zürcher Coiffeur JJ (qingbabyjey) erstmals erblickte. Jeder einzelne Beitrag des französischen Tänzers Matyouz’s (matyouz - Bild unten) ist ein Kunstwerk. Doch besonders angetan hat es mir Silvano (sl.vno) aus Brüssel. Freizügig posiert er auf Insta mal in Tangas, mal oben ohne oder in Fetish-Wear. Niemals würde er seinen Bauch einziehen, viel eher stellt er jede Delle und Wölbung zur Schau. Er macht nicht einen auf butch, sondern zeigt sich oftmals fem. Was mich entzückt: Er ahmt niemanden nach, sondern macht sich auf die Suche nach seiner eigenen Form von Schönheit. Füllige Männer als Objekt der Begierde schafften es bislang nicht in den Mainstream - höchstens in uninspirierte deutsche Modekataloge. Der millionenfach geteilte und in den Medien vielbesprochene Post von Jonah Hill ist nur der neuste Beweis dafür. Was wir schön finden, ist Gewöhnung. Denn heute ist Silvano aus Brüssel eine meiner liebsten Thirst-Traps.
Ich will damit übrigens nicht sagen, dass es doof ist sieben Mal pro Woche in die Muskelbude zur rennen, um wie Adonis oder Twink auszusehen. Dein Körper, deine Ertüchtigung. Es ist aber wie bei den Verwaltungsratsgremien aller Schweizer Unternehmen: Mehr Vielfalt würde uns gut stehen.
Es fiel mir übrigens nicht schwer, die respektlosen Nachrichten der beiden Grindr-Schwulen vom Anfang zu verdauen. Denn es wurde zumindest bei einem noch lustig: Er antwortete, gefragt nach seinen sexuellen Präferenzen, er sei "Versailles". Einen unglaublich lustigen Marie-Antoinette-Witz sparte ich mir. Er hätte ein Jahr lang täglich eine Stunde Hazel-Brugger-Stand-up schauen müssen, um in den Genuss meines Humors zu kommen.
English Translation: Is your perception of aesthetics as malleable as your biceps?
(Photos courtesy of @qingbabyjey, @sl.vno and @_adydelvalle)
(Translation: Fin Murray)
"You got a pretty face but it’s a shame you’re not working on your body at all" or "I’d fuck you if you went to the gym every day for the next year." These are just two examples out of the numerous insulting messages I have received on gay dating apps over the years. We gays are a cruel people.
My body doesn’t have many similarities with diligent gym-goers, but it gets me by with a few extra kilos here and there. Such cruel messages of course bring up inner self-doubts. We all want to fit in somehow and that’s probably why I regularly went to the gym for a while. That place with its atmosphere drenched with competitiveness and testosterone has been a minor affliction for me. So I decided to no longer just work on my muscles but on my aesthetic perceptions as well. Ads, TV-Shows and Social Media bombard us with flawless male bodies. What we as consumers don’t see is that some muscle models abuse anabolics, photoshop their content and reduce their nutrition to chicken and rice. All things that might lead to a perfect body. But they’re also things I don’t want.
If I was exposed to more imperfection my eyes would get used to that, I was convinced. Fat rolls and dents are normalized and what follows is more self-acceptance. Last stop: Nirvana. Maybe my understanding of beauty is just as malleable as my biceps?
Easy, I thought as I swiftly banished all speedo-gays content from my Instagram feed and started looking for a different kind of aesthetic. I was determined to find pictures of male bodies that were neither a muscular Adonis nor a thin twink. I needed curvy, I needed effortless. I wanna see men who are confident in their bodies but don’t let too much fat or too little muscles define them.
Through Google, I found some male plus-size models who not only had wonderful bodies but also a sizeable amount of followers on Instagram. They all worked regularly for predominantly german fashion catalogues. Although their style in clothing was less than inspiring they all knew how to showcase their bellies. Let’s see what happens, I thought.
After a couple of weeks, I had unfollowed all of them. Every. Single. One. I realized pretty quickly that none of them are on social media to inspire. They were not there to fight the dominating male body ideal. What were they up to, you might ask? One of them loved to go hunting. Not for women but for animals. He did not do the comprehensible, sometimes even necessary kind of hunting that is needed for a balance in some delicate ecosystem but the kind where afterwards you grotesquely pose with your spoils of the hunt.
Another loved boats and spent his weekends on a medium-sized deck boat on some Austrian lake. A likeable guy you might think. Not at all. All he did was walk up and down jetties in heinous loafers (without socks), pausing only to smoke a fat cigar. He was a poser. A third one used derogatory terms for women in his Insta stories and a fourth one thought welfare as a concept was overrated. The big male models did not make me feel attracted to a different kind of body type but increased my distrust of straight, white and cis men.
Thankfully our queer community once again came to the rescue as it was only here that I found decent role models. My heart skipped a beat when I first saw the beach photos of our gorgeous Zurich hairdresser JJ (@qingbabyjey), I found every single picture on French dancers Matyouz’s (@matyouz pictured below) wall to be a piece of art and Silvano (@sl.vno) from Bruxelles striking poses especially drew me in. Silvano postures in a permissive way showing off his body in thongs, topless or in fetish wear. He would never pull in his belly. He’d rather flaunt every curve and bump. He does not read as butch and loves to show a feminine side. The fact that he’s not imitating anybody but is trying to find his own kind of beauty, delights me. Sadly corpulent men as a sexually desirable object are not represented in the mainstream and we would be hard pushed to find them anywhere else than in uninspiring german fashion catalogues. Jonah Hill’s much-discussed post about how he suffered from fat-shaming shows that plus-size men only get ridiculed and mocked. But as I discovered it’s in each and everyone’s power to make that stop. Today Silvano is without a doubt one of my favourite thirst traps.
Now, I’m not saying it’s silly to hit the gym multiple times a week or to complete two to three marathons per month in order to retain twinkish features or look like an Adonis. Your body, your workout. But like the boards of every fortune 500 company who mostly consist of white men: we could use some more diversity in our aesthetics.
By the way: it was no struggle for me to get over the rude messages from the two Grindr-gays. One of them even made me laugh: When asked about his sexual preference he answered "Versailles". Several incredibly funny jokes about Marie Antoinette came to my mind immediately. These I saved for my friends as in order to get them he’d have to watch every single Maya Rudolph SNL-Skit on rotation for an entire year.
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